Vor einiger Zeit wurde ich gebeten, jungen Menschen ein paar Ideen zu geben, wie man denn "Schriftsteller:in" wird. Sie können diesen Text gerne verwenden. Nur respektieren Sie bitte das Urheberrecht, fragen Sie kurz und nennen mich als Urheberin, vielen Dank!
ÜBER DAS SCHREIBEN
Sie wollen Schriftsteller:in werden? Das müssen Sie nicht. Seien Sie es. Der Nachteil: Die Arbeit beginnt jetzt. Während Ihre Schulkolleg:innen erst noch ihr Abitur und ihren MSA machen, stehen Sie schon in der Pflicht. Sie haben eine Doppelbelastung. Daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern. Irgendwann wird sich die Doppelbelastung erweitern. In eine Dreifachbelastung. Das ist dann der Fall, wenn Sie beispielsweise ein Kind bekommen. Oder einen Brotberuf ergreifen. Hund, Katze, Partner anschaffen.
Schlucken Sie das. Machen Sie um Himmels Willen nicht den Fehler, die fette Kröte auch noch zu kauen. Schlucken Sie sie einfach runter. Schreiben ist ein einsamer Beruf. Wenn Sie anfangen, werden Skepsis und Ängste Ihre Begleiter sein. Die müssen Sie nicht mal selbst haben. Die Unkenrufe hören Sie von Ihren Eltern, von jemandem, der es nur gut mit Ihnen meint und denen, die selbst gescheitert sind.
Sobald Sie Erfolg haben, ändert sich die Tonart. Wenn Sie Pech haben, werden Sie als Wunderkind besungen und von Kolleg:innen gehasst. Dann haben Sie sich irgendwo reingeschlafen. Oder Ihr Onkel ist bekannt mit dem Senator und Sie haben das Stipendium nur deshalb bekommen. Wie auch immer: Lassen Sie das hinter sich, solange Sie es noch vor sich haben. Das alles ist das da draußen. Sie müssen wissen, was Sie können, was Sie noch lernen wollen und was Sie ausprobieren möchten. Dann ist alles gut. Sie sind im Zentrum. Kein egozentrisches , narzisstisches, verwöhntes und taubblindes Ich, das sich im Kreise dreht; dann wird man größenwahnsinnig oder sehr, sehr traurig.
Pflegen Sie Ihre Mitte. Einen heiligen Raum in sich, der für Sie betretbar ist, jederzeit. Laden Sie meinetwegen Gäste ein, aber sagen Sie ihnen, sie sollen die Schuhe ausziehen und sich leise verhalten, während Sie ihnen ein bisschen was zeigen. Das Zentrum, die Mitte eine:r Schriftsteller:in, ist unbedingt schützenswert.
Von außen betrachtet, sind wir Schriftsteller:innen eine beneidenswerte Gruppe. Wir leben in den Tag hinein, sitzen ein bisschen herum, da wo´s schön ist, machen ein kluges Gesicht, dann schreiben wir einige Stunden an einem neuen Roman, abends trinken wir eine Menge Rotwein, verbringen den Rest der Nacht an aufregenden Orten und schlafen dann, so lange wir wollen. Schriftsteller:innen wohnen in Häusern mit Meerblick und Veranda, sie machen ausgedehnte Auslandsreisen und überhaupt geschehen ständig Dinge, die man nur als magisch bezeichnen kann. Manchen geht es nicht von Anfang an so, aber: das sind die, die dann, als man meinte, es wäre jetzt wirklich vorbei, auf wundersame Weise entdeckt wurden. Erotisch frustrierte Hausfrauen, die nach einsamen Nächten in kruden Internetforen zu unbeschreiblichem Ruhm und Reichtum kamen. Versicherungsvertreter aus vergangenen Jahrhunderten, deren Namen in jedem Schulbuch zu finden sind. Suchen Sie sich was aus. Sehr wahrscheinlich wird Ihr Schreiballtag anders aussehen.
Sie brauchen Routinen, Sie brauchen einen Plan und: Sie brauchen Ihre Ruhe.
Das Bild eine:r Schriftsteller:in ist stark aufgeladen mit Vorstellungen. Basteln Sie sich Ihr eigenes Bullshit-Bingo (tun Sie das nicht, natürlich nicht!):
- „Oh! Und wovon willst Du leben?“
- „So wie J.K. Rowling?“
- „Hast Du schon einen Roman veröffentlicht?“
- „Und was schreibst Du so?“
- „Ach, das würde ich auch gern sein!“
- „Über mich, da könnte man ein ganzes Buch schreiben!“
Stellen wir uns die Aussagen bei Mediziner:innen vor, ist es leicht, sie leicht zu nehmen:
- „Oh! Und wann wirst Du damit richtig reich?“
- „So wie der Erfinder der Herz-Lungenmaschine?“
- „Hast Du schon mal ein Herz transplantiert?“
- „Und welche Organe operieren Sie am liebsten?“
- „Ach, ich würd auch gern Leute gesund machen“
- „Also ich, ich wäre ja die perfekte Patientin für Sie als Arzt“
Nehmen Sie sich die Freiheit, unverschämte Fragen und unangemessene Unterstellungen als das zu werten, was sie sind. Eben das. Trotzdem: Das ist im seltensten Fall böse gemeint. Es ist nur so, dass ein künstlerischer Beruf Menschen dazu ermutigt, ein bisschen persönlicher zu werden als in anderen Themenfeldern. Nehmen Sie es nicht zu ernst. Diese Sätze werden wie ein Backgroundchor zuverlässig Ihre Arbeit begleiten. Jammern Sie nicht allzu viel darüber. Lassen Sie das ablaufen. Und: arbeiten Sie. Überhaupt, das ist das Wichtigste. Diese eineinhalb Seiten Einleitung sind schön und gut, um sich ein wenig einzuordnen, aber das Wichtigste, was Sie wissen müssen, ist: Sie sind ein:e Schriftsteller:in. Unveröffentlicht noch und am Anfang Ihres Schaffens, wie könnte es auch anders sein, es ist noch nicht so klar, wohin die Reise geht, aber: sie sollten Strecke machen. Strecke besteht aus Worten.
Schreiben Sie. Schreiben Sie. Schreiben Sie.
Jeden Tag. Ja, jeden Tag. Es sei denn, Sie haben 40 Fieber und der Hund stirbt gerade. Nein, das stimmt nicht, dann schreiben Sie bitte erst recht. Wenn Sie Langeweile haben: Schreiben Sie. Wenn Sie nervös sind: Schreiben Sie. Wenn Sie eigentlich gerade Ihre Klausurvorbereitung fertig machen sollten: Machen Sie das, verdammt, machen Sie das endlich und danach: Schreiben Sie. Es geht an der Stelle noch nicht um Ergebnisse. Es geht darum, das Schreiben in eine Selbstverständlichkeit zu bringen, bis es Ihnen so vertraut ist, wie das Essen, Schlafen und was Sie sonst so über den Tag tun. Es ist vollkommen unwichtig, was Sie da schreiben. Googeln Sie. Morgenseiten. Gut. Szenen. Gut. Tagebuch. Gut. Postkarten, Briefe, E-Mails, Blogeinträge, alles gut. Machen Sie einfach Text.
Der Vorteil dieser Masse an Text ist, dass Sie merken werden: Es muss nicht gut sein. Aber es ist so viel, dass Sie automatisch besser werden werden. Da werden mehr und mehr Worte, Sätze und Fragmente auftauchen, die Ihnen schon vertraut vorkommen, weil Sie die gerne verwenden. Oder Worte, Sätze, Fragmente, die „gut“ sind. Mit dem Schreiben kommen Sie Ihrem eigenen Stil auf die Spur. Vertrauen Sie darauf, dass er da ist, als Grundlinie, die Sie leichter sehen werden, je mehr Sie geschrieben haben.
Schreiben Sie. Schreiben Sie. Schreiben Sie.
Egal, was außen geschieht: Sie schreiben. Sie wissen, dass das der mächtige Teil des Eisbergs ist. Die Spitze des Eisbergs, das, was man oben sehen kann, das, was „die Leute meinen“, wenn sie von Schriftsteller:innen sprechen: Die Bücher in den Buchhandlungen, die gewonnenen Preise und Auszeichnungen, die Lesungen und dergleichen. Wie bekommt Ihr Eisberg auch so eine schöne Spitze? Wie wird man das, was man längst ist, auch in den Augen anderer? Um im Bild zu bleiben: Der Eisberg taucht auf. Es gibt keine Eisbergspitzen ohne dieses Massiv darunter. (Jajaja, gibt es wohl, höre ich da, aber: die schmelzen so rasch wie ein Eiswürfel in einer warmen Cola, wir reden hier von echten Eisbergspitzen, an denen selbst eine Titanic zerschellt, weil sich irgendjemand verrechnet hat!) Stellen Sie sich also auf Jahre des unsichtbaren Schaffens ein. Lassen Sie sich nicht in Kummer stürzen, weil Ihnen jemand sagt, Sie wären ja gar kein richtiger Eisberg. Sie bewegen sich einfach noch im unsichtbaren Bereich. Sie schaffen Fundament. Das muss keiner sehen.
Irgendwann fangen Sie an, bestimmte Stücke sichtbar werden zu lassen. Lassen Sie Texte aufsteigen. Schreiben Sie Artikel für eine Zeitung. Wählen Sie ein Medium, dass literarischen Anspruch hat. (Schreiben Sie meinetwegen auch für die Schulwebsite oder das Wochenblatt oder einen Blog, egal, aber das sind alles Fundamenttexte, die haben nichts mit der Eisbergspitze zu tun) Bei der Recherche hilft Ihnen der Wikipedia-Eintrag „Liste deutschsprachiger Literaturzeitschriften“.
Und jetzt nach draußen, spielen gehen! Gehen Sie in den Wettbewerb. Nehmen Sie teil. Machen Sie mit, da draußen. Schreiben Sie für die guten Wettbewerbe: https://www.autorenwelt.de/verzeichnis/foerderungen
Das ist für die Zukunft Ihre Startseite.
Alternativ: http://www.literaturport.de/preise-stipendien/
Ihre Jugend ist Ihr Vorteil. Ab Mitte 20 wird es stressig. Nutzen Sie die Jetzt-Zeit. Die Schar der Konkurrent:innen ist noch klein. Konkurrenz ist eigentlich auch kein Problem, aber es bringt Sie möglicherweise dazu, sich zu früh zu vergleichen. Bevor Sie sich vergleichen, sollten Sie sich aber zunächst von Grund auf selbst kennen, achten und wissen, wie schön ihr eigener Ausdruck ist. Ihr Vorteil ist, dass Sie jetzt schon Schriftsteller:in sind. Während alle anderen noch so herumdümpeln (das tun Sie natürlich auch), haben Sie eine wichtige Entscheidung Ihres Lebens bereits gefällt und am Massiv Ihres Eisbergs gearbeitet. Bespielen Sie Wettbewerbe, nehmen Sie die Herausforderung an, zu den geforderten Themen zu schreiben.
Und seien Sie so gut zu sich selbst, sich jetzt und gleich ein Pseudonym zu gönnen. Für den Fall, dass Sie höchst erfolgreich werden, können Sie es jederzeit aufdecken. Für den Fall, dass Sie sich von jugendlichen Erfolgen distanzieren möchten, ist es damit leichter. Das macht Ihren Kopf frei von der Angst, jede:r könnte nun ungewünscht Einblick in Sie nehmen. Ein Pseudonym ist auf jeden Fall etwas für Anfänger:innen. Der Geburtsname Ihrer einen Urgroßmutter kombiniert mit dem Vornamen der anderen, schon haben sie eins, das ausreichend fern von Ihnen ist, aber bei Bedarf auch Ihre Identität belegen kann. Machen Sie keine große Sache draus. Das eine sind Sie als Privatperson. Das andere ist Ihr Pseudonym. Weil Sie halt Schriftsteller:in sind. Da ist das ganz normal.
Widerstehen Sie der Versuchung, gleich einen Roman schreiben zu wollen. (Falls er sich trotzdem schreibt, werden Sie das schon merken, dann ist er irgendwann fertig) Seien Sie die Realist:in. Zur Erinnerung: Ihr Außen ist für das Drama zuständig, den Chor der besorgten Klagenden, die Arien auf das mögliche Wunderkind: Lassen Sie all das von anderen singen. Sie sind die Realist:in. Sie nehmen sich jetzt kleine externe Aufgaben vor. Kurze Texte für einen Wettbewerb. Eine Geschichte für eine Anthologie. Einen Poetry-Slam-Beitrag für eine Veranstaltung. Egal, was andere sagen: Für Sie ist erstmal nur wichtig, dass Sie es tun.
Lassen Sie sich nicht von Lob täuschen und von Kritik niedermachen. Es sind Ihre ersten Beiträge, wahrscheinlich nicht die besten und sicher nicht die letzten. Sie arbeiten einfach weiter. Sie schreiben immer weiter. Und weiter und weiter. Bis Sie sterben. Schriftsteller:innen tun das halt. Das ist ihr Leben.
Nochmal der Blick nach außen. Sie haben jetzt bald Ihren MSA oder Ihr Abitur. Die Umwelt fragt, was Sie jetzt machen werden. Sie müssen da eine Entscheidung fällen. Versuchen Sie, wenn möglich, in einen der renommierten Studiengänge hinein zu kommen. Ihre Traumstädte heißen fortan: Leipzig. Hildesheim. Biel (das ist in der Schweiz, ja). Wien. Meinetwegen auch noch Berlin. Die Studiengänge nennen sich: Literarisches Schreiben, Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus, Szenisches Schreiben.
http://www. deutsches-literaturinstitut .de/bewerbung.html
https://www. uni-hildesheim .de/schreiben/
https://www. hkb.bfh .ch/de/hkb/ueber-uns/fachbereiche/sli/
http://www. dieangewandte .at/sprachkunst
https://www. udk-berlin .de/studium/szenisches-schreiben/
Sollten Sie bei einer dieser Adressen angenommen werden, danken Sie dem Himmel, mehrfach, und dann: Schreiben Sie. Profitieren Sie von einem kreativen Kosmos, in dem alle so drauf sind wie Sie. Genießen Sie interessante Veranstaltungen. Aalen Sie sich in der selbst des Nachts scheinenden Sonne des Auserwähltseins. Aber:
Schreiben Sie.
Für alle anderen gilt:
Schreiben Sie.
Studieren Sie etwas anders. Nicht Germanistik, wenn´s geht. Da kommen Sie nie wieder von weg. Am Ende sind Sie dann Deutschlehrer:in. Nein, gucken Sie mal in Ruhe durch, was Ihnen der liebe Gott sonst noch so an Interessen und Talenten in die Wiege gekippt hat. Sie interessieren sich für Biologie? Wunderbar, machen Sie das, das kann Ihnen nur nützen. Betriebswirtschaft ist auch super. Da sind alle außenrum leise, weil Sie was Vernünftiges machen, es ist nicht allzu schwer und Sie können weiter schreiben. Falls Sie gerade Ihren MSA haben oder gar nicht studieren wollen: Jedwede Ausbildung, die Ihnen möglich und machbar scheint: Sehr gut! Erlernen Sie das Versicherungsmanagement oder mehren Sie Ihr Wissen über die Mechatronik. Nicht so lala, nein, nein, Sie machen das schon richtig (denken Sie an die eingangs erwähnte Kröte, die es zu schlucken gilt, sie muss im Ganzen runter. Was Sie nicht noch brauchen, ist Stress wegen eines Studiums, das schlecht läuft oder einer Ausbildung, die Sie dann wieder abbrechen.
Sie entscheiden sich dafür, Sie machen das, denn: Sie sind eine Schriftsteller:in, die gerade eine Zusatzausbildung zur Mechatroniker:in absolviert). Wenn es Sie nicht umbringt, ziehen Sie das also durch und danach auch alles folgende. Einzige Ausnahme: Die regelmäßige Bewerbung um einen Studienplatz in oben genannten Instituten. Wenn Sie ein Ja bekommen: wechseln Sie nach Möglichkeit. Wenn nein: machen Sie Ihre Zusatzausbildung fertig.
Verzweifeln Sie nicht, weil so viel Leben dazu kommt. Die Ausbildung zur Mechatroniker:in. Das ungeplante Kind. Die geplante Hochzeit. Die Entdeckung, dass Ihr Vater schwul ist und Ihre Mutter das schon immer wusste. Die Oma, die stirbt. Die Krankenkasse, die Ihnen immer schreibt. Und ständig dieser Abwasch und das wenige Geld.
Sie sind Schriftsteller:in und damit haben Sie die Gewissheit, die andere immer mal wieder suchen: Alles, was geschieht, ist gut! Es ist Teil eines Prozesses. Alles, was Sie aufbringt, beunruhigt, berührt und erschreckt: es ist gut. Es macht etwas mit Ihnen. Es mehrt Ihre Erfahrung. Heulen, schimpfen und sich grämen dürfen Sie natürlich trotzdem, wie alle anderen auch (das mit der Oma, das tut mir wirklich leid), aber: Immer, wenn den anderen nur was echt Blödes passiert, bekommen Sie auch noch ein Geschenk dazu. Sie verändern sich. Das ist doch was. Bitte: Lassen Sie es einfach geschehen. Schreiben Sie keine witzigen, selbstironischen Texte darüber (oder nicht nur).
Lassen Sie es geschehen und spüren Sie sich selbst nach, in dem, was geschieht. Entdecken Sie die Dimensionen. Nutzen Sie in ihrem beruflichen Kontext als Schriftsteller:in die unterschiedlichen Perspektiven. Definieren Sie einen neuen Fokus als Ihren eigenen. Entwickeln Sie die Randgeschichten daraus. Entdecken Sie Gegenstände. Setzen Sie alles an einen anderen Ort. Lassen Sie Protagonisten auftreten. Und so weiter und so fort. Das alles tun Schriftsteller:innen. Und wenn Sie die letzten Jahre schon geschrieben, geschrieben und geschrieben haben, wird es Ihnen jetzt ein Leichtes sein.
Und grämen Sie sich bitte nicht, dass Sie diesen Studienplatz in Leipzig oder Hildesheim (noch) nicht bekommen haben. Es gibt unterschiedliche Wege zum Ziel. Wobei in Ihrem Fall der Weg tatsächlich das Ziel ist.
Weiterhin nützlich: Ein Lebensraum, in dem Sie die Gesetze des Schriftsteller:innen-Daseins am eigenen Leib erfahren können. Wo Sie hin und wieder sein sollten, um den Bezug zur Realität zu behalten. Wahrscheinlich leben Sie in einem Kontext, in dem Ihnen die Nahrung nicht von selbst in den Mund wächst, in dem Sie Ihre Miete bezahlen müssen, wo andere Leute Ihnen sagen, Sie sollen mal wieder Sport machen oder den Müll runterbringen. Fein, das ist gut für Sie. Sie brauchen aber darüber hinaus noch eine Community anderer Menschen, die ebenfalls schreiben. Die Ihnen ein paar Hinweise geben, welche Wettbewerbe gerade anstehen, wo Sie publizieren können, wie Sie Ihr Schreiben weiter entwickeln können. Nutzen Sie das.
Tummeln Sie sich auf den folgenden Seiten:
Tummeln Sie sich nicht zu viel. Schreiben Sie.
Noch wichtiger als die Internet-Communities sind echte Menschen, die das ebenfalls den lieben, langen Tag tun. Die treffen Sie bei den Lesebühnen und Werkstätten der Stadt. Gehen Sie überall hin. Gucken Sie sich das in Ruhe an. Reservieren Sie einen festen Termin pro Woche für die Literatur.
Montag: Autorenforum Berlin
Dienstag: LSD, Liebe statt Drogen
Mittwoch: Surfpoeten
Und so weiter und so fort. Sie leben nicht umsonst in Berlin. Andere müssen da erst hin. Sie sind schon da. (Falls Sie nicht in Berlin leben: Kommen Sie! Es ist sehr gut hier! Oder Sie gründen ein neues literarisches Zentrum in Ihrem Umfeld, eine feste Gruppe mit festen Regeln) Schreiben Sie und wenn Sie soweit sind: Lesen Sie. Schreiben Sie die Kritik mit. Überarbeiten Sie Ihre Texte. Lesen Sie erneut.
Workshops, Seminare, Kurse: Was immer Sie in dieser Richtung unternehmen wollen, das ist eine gute Idee. Fallen Sie nicht auf teure Online-Kurse herein. Suchen Sie sich ein paar reelle Kurse und schreiben Sie.
Persönlich empfehlen kann ich:
Die Schreibbühne, Ingrid Kaech: www. schreibbuehne .de
Haus des Schreibens
Julia Powalla: www. haus-des-schreibens .de
Schreibhain, Tanja Steinlechner, www. schreibhain .com
Bücher über das Schreiben dürfen Sie auch gerne lesen. Es gibt je nachdem, wo ihr Interesse liegt, die unterschiedlichsten Themenratgeber.
Ein Standardwerk ist das „Handbuch für Autorinnen und Autoren“:
https://www. uschtrin .de/produkte/weiteres/handbuch
Ich „mag“ außerdem die Bücher von Stephan Waldscheidt:
http:// schriftzeit .de/schreibratgeber
Sol Stein, „Über das Schreiben“: Das kaufen Sie mal ruhig. Das wird Ihnen nützen.
Ansonsten gucken Sie mal hier rein:
https://www. autorenwelt .de/die-besten-schreibratgeber
Bestellen Sie ein oder zwei Bücher. Und dann:
Schreiben Sie.
Wirklich. Nur darum geht es.
Schreiben Sie.
Stecken Sie Kritik ein. Überarbeiten Sie.
Geld verdienen: „Kannst Du davon leben?“ ist eine gern gestellte und absolut distanzlose Frage. Leute, die man danach fragen könnte, gibt es reichlich. Friseure, Ihre Gynäkolog:in, Onkel Herbert, Kassierer:innen, Taxifahrer:innen, die Frau von der Bank und die Frau von der Parkbank. Jedenfalls wird ausnahmslos jede Schriftsteller:in früher oder später danach gefragt, ob sie davon leben könne.
Wissen Sie, Sie müssen nicht alles beantworten, wirklich nicht. Kürzen Sie die Sache ab. Sagen Sie „ja“. Vielleicht kommt noch eine Nachfrage: „Wirklich?“ Sagen Sie: „Ja“
Ausnahme: Sie bewerben sich um ein Stipendium. Da sind Sie dann bitte ehrlich. Es ist die Hölle, Geld für schriftstellerische Arbeit zu bekommen. Es ist einer der wenigen Jobs, in dem Sie sich Ihre Arbeitszeit quasi erkaufen müssen.
Sie arbeiten viel, wirklich viel und alles nur für eine Aussicht. Nicht diese Aussicht von Ihrer Terrasse auf´s Meer! Für die wesentlich schlichtere Aussicht, dass ein Verlag Ihr Werk publiziert und so freundlich ist, Ihnen einen fairen Vorschuss zu bezahlen. Nur dann, wenn der Titel wirklich erfolgreich ist, bekommen Sie weitere Tantiemen. Die betragen, je nach Verhandlungsgeschick zwischen 8 und 12% des Nettoerlöses (studieren Sie Betriebswirtschaft, dann können Sie sich das noch schneller ausrechnen).
Geld mit den eigenen Werken zu verdienen, kann sich also nicht nur darauf beschränken, einen einzigen Roman zu verfassen. (Falls doch, werden Sie das schon merken, keine Sorge, aber verlassen sollte man sich nicht darauf). Viel wahrscheinlicher ist, dass ihr Auskommen von Einzelposten abhängt. Ein Teil Vorschuss, ein Teil Preisgeld, ein Teil Stipendium, das wäre schon mal gut. Ein Kleckerteilchen Tantiemen. Das reicht nicht für Miete und etwas zu essen. Sie müssen also einen Teil Ihrer Arbeitszeit abzwacken für Tätigkeiten, die Ihre Fixkosten so sicher decken, dass Sie einigermaßen sorgenarm weiter schreiben können. Sie brauchen entweder einen verlässlichen Teilzeit-Job im Angestelltenverhältnis (damit haben Sie auch die Krankenversicherung und die Sozialversicherung schon mal im Sack) und haben dann noch ein begrenztes Kontingent an frei verfügbarer Arbeitszeit. In der Sie:
Schreiben, schreiben, schreiben.
Stellen Sie das nicht allzu sehr in Frage. Das ist eben so. Die Schreibarbeitszeit ist gewissermaßen Ihre Investition in die Zukunft. Und keine schlechte, wenn Sie dran bleiben. Sie müssen das unbedingt ernst nehmen. So wenig, wie Sie in Ihrem Teilzeit-Job ständig fehlen können, sollten Sie auch Ihrer Schreibzeit fernbleiben.
Wenn Sie ein gewisses Level erreicht haben, vielleicht schon ein paar Preise gewonnen, einige Texte publiziert, ein paar Kurse absolviert und das haben, was man „einen Namen“ nennt, dann spricht nichts dagegen, den Teilzeit-Job in etwas Schreibverwandtes zu übersetzen. Dann schreiben Sie vielleicht auftragsweise, Sie machen Lektorat, Sie haben eine Kolumne bei einem Magazin, solche Dinge. Es ist sehr kleinteilig und aufwändig.
Unbedingte Erlösquelle der Schriftsteller:innen sind Lesungen. Dazu brauchen Sie aber erstmal ein Buch, das kommt also ein bisschen später. Versäumen Sie es nicht, Lesungshonorare zu generieren.
Was wollen Sie überhaupt schreiben? Schriftsteller:innen, das sind viele. Die Hochliteratur-Autor:innen, die Short-Story-Autor:innen, die Lyriker:innen, die Verfasser:innen von Essays. Die Genre-Schreiber:innen, die Drehbuch-Autor:innen, die Theater-Autor:innen, die Journalisti:nnen. Sie müssen nicht von Anfang an wissen, wo genau Sie sich hineinsortieren lassen wollen, aber nach einer Zeit des freien Arbeitens werden Sie merken, was Ihnen liegt und wohin Ihr Schreibweg Sie führen kann. Dementsprechend verfeinern Sie dann Ihr Arbeiten und suchen sich Ihre Kreise. Es gibt Schriftsteller:innen, die nur im Genre bleiben (Liebesromane, Kriminalgeschichten, Hundetrainingsbücher) oder flexible Autor:innen, die zwischen den Bereichen springen.
Hier empfiehlt sich von Anfang an eine solide Pseudonym-Arbeit. Überlegen Sie gut, für welche Texte Sie Ihren bürgerlichen Namen verwenden wollen, gerade, wenn Sie noch sehr jung sind. Es macht Spaß, mit den Pseudonymen zu jonglieren und Sie vergeben sich nichts, wenn Ihr Liebesroman-Pseudonym floppt, Sie aber unter Ihrem Hochliteratur-Pseudonym einen Preis gewinnen. Auch im Hinblick auf Ihre Leser:innenschaft ist es einfacher, wenn alles ein bisschen sortiert ist.
So ganz unter uns: Schrifsteller:in zu sein, ist das Größte. In wenig anderen Berufen haben Sie die Möglichkeit, so viel zu sein. Sie gewinnen die Freiheit, sich beständig neu zu erproben. In ungewohnten Perspektiven, in anderen Rollen, in einem Lebensstil, der immer, absolut immer, mit dem einfachen Satz „Muss ich machen: Recherche!“ zu rechtfertigen ist. Autor:innenschaft öffnet Ihnen verschlossene Türen. „Ich arbeite gerade an einem Buch über…“ ist der Schlüssel zu höchstpersönlichen Gesprächen, zu den verborgenen Orten der Stadt und, Vorsicht!, zu den sorgsam gehüteten Kammern Ihres Selbst.
Machen Sie das. Vergessen Sie nicht, mir ein Bild zu schicken, von Ihrer Terrasse mit Meerblick. Halten Sie dabei ein Glas Rotwein in der Hand, im Hintergrund sähe ich gerne spielende Kinder, zwei bis drei Liebhaber:innen sollten herumlungern und sie als Autor:in mit weltklugem Blick und einem wissenden Lächeln auf den Lippen. Katze oder Hund nach Gusto (falls Sie Hunde-Ratgeber schreiben, wäre das allerdings obligatorisch!).
Und wo Sie jetzt diesen langen Artikel gelesen haben, leiste ich mir das Du und einen dreifachen Imperativ:
Schreib! Schreib! Schreib!